Grundlagen der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED)

Die zwei bedeutendsten chronisch-entzündlichen, nicht infektiösen Darmerkrankungen sind Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU). Ihr Krankheitsverlauf erfolgt typischerweise in immer wiederkehrenden Schüben. Da es sich um Systemerkrankungen handelt, kann sich die Erkrankung auch außerhalb des Verdauungstraktes bemerkbar machen. Damit Sie als MFA, Krankenschwester oder Krankenpfleger für die Praxis gut gerüstet sind, haben wir wichtiges Grundlagenwissen über CED für Sie zusammengestellt.

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Zertifikatskurs Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

CED Kurs – Die Krankheit verstehen
Modul 1 des Zertifikatskurses CED

Zertifikatskurs Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Modul 2 des Zertifikatskurses CED

Wie entstehen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen?

Der Pathogenese der CED liegt ein multifaktorielles Zusammenspiel, u. a. genetischer Einflüsse, Umgebungsfaktoren (z. B. Infektionen, Mikrobiom oder Nikotinkonsum bei Morbus Crohn) und einer Störung der Darmbarriere zugrunde.

Das Eindringen gewöhnlicher Darmbakterien in die Darmschleimhaut führt wahrscheinlich zu einer überschießenden Immunreaktion. Immunzellen haben das Gewebe infiltriert und produzieren fortgesetzt Entzündungsbotenstoffe. Dabei richtet sich das Immunsystem auch gegen das gesunde Gewebe. Während ein gesunder Darm Entzündungsprozesse herunterreguliert, ist die Immunregulation bei CED fehlerhaft. Entzündungsprozesse werden weiter angefeuert und die Immunabwehr richtet sich auch gegen normalerweise immunologisch tolerierte körpereigene intestinale Mikrobiota.

Zusätzlich können bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa extraintestinale Manifestationen (EIM) auftreten. EIM sind Krankheitsbilder, die in Zusammenhang mit einer CED stehen, jedoch nicht den Gastrointestinaltrakt betreffen. EIM können sich zum Beispiel am Auge (Episkleritis, Uveitis), in den Gelenken (Arthropathien) oder auf der Haut (Erythema nodosum, Pyoderma gangränosum) zeigen. Sie treten bei nahezu jedem*jeder zweiten CED-Patient*in auf. MC-Patient*innen sind dabei häufiger betroffen als CU-Patient*innen. Gelegentlich entwickeln sich EIM sogar schon vor den typischen CED-Symptomen.

Was passiert bei einer Entzündung?

Die Entzündung ist ein Schutzmechanismus des Körpers. Ihre komplexen Abläufe verteidigen unseren Körper gegen Krankheitserreger und Fremdkörper und eliminieren geschädigte Zellen. Botenstoffe des Immunsystems bewirken dabei eine Erweiterung der Blutgefäße, sodass das Entzündungsgebiet stärker durchblutet wird. Außerdem werden die Gefäße durchlässiger für den Austritt von Blutplasma und Immunzellen ins Gewebe. Alle an bestimmten Orten ablaufenden Immunreaktionen werden als Entzündung bezeichnet.

Das Immunsystem und seine Aufgaben

Man unterscheidet zwei Abwehrmechanismen des Immunsystems. Die unspezifische, angeborene Immunabwehr und die spezifische, erworbene Immunabwehr. Beide Abwehrmechanismen sind eng miteinander verzahnt.

  • Die angeborene Immunabwehr

    Dringen Erreger in den Körper ein, werden Zellen des Immunsystems aktiv. Die unspezifische, angeborene Immunabwehr reagiert schnell und unabhängig vom Erreger. Ihre Zellen zirkulieren fortwährend in den Blut- und Lymphgefäßen und kommen in den Geweben des Körpers vor.

  • Die erworbene Immunabwehr

    Die spezifische oder erworbene Immunabwehr zeichnet sich durch die Anpassungsfähigkeit gegenüber neuen Krankheitserregern aus. Im Rahmen dieser Anpassung sind die Immunzellen (v. a. T- und B-Lymphozyten, in der Lage, gezielt Abwehrmechanismen und Antikörper zu bilden.

Botenstoffe des Immunsystems spielen eine wichtige Rolle

Die Zusammenarbeit der Zellen des Immunsystems ermöglicht die Überwachung des Körpers und den Aufbau einer Immunantwort. Die Kommunikation der Immunzellen erfolgt über das Blut oder die Lymphe entweder durch direkten Kontakt miteinander oder wird durch Zytokine ermöglicht. Zytokine können Immunantworten anregen oder hemmen, indem sie die Abwehr von Krankheitserregern steuern und koordinieren. Sie sind demnach mitverantwortlich dafür, dass eine Immunreaktion erfolgreich abläuft.

Die chronische Entzündung

Im Normalfall klingt eine Entzündung nach Beseitigung des schädigenden Stoffs wieder ab, das Gewebe heilt. Manchmal reguliert sich jedoch der Entzündungsprozess nicht wieder herunter. Wie ein Schwelbrand besteht die entzündliche Aktivität fort: es entsteht eine chronische Entzündung. Unter dem Sammelbegriff chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) werden Krankheitsbilder zusammengefasst, die sich durch schubweise oder kontinuierlich auftretende, entzündliche Veränderungen des Darms auszeichnen.

Wie wird eine CED diagnostiziert?

Ist der Verdacht auf eine CED gegeben, folgen verschiedene Untersuchungen. Die Diagnose stützt sich auf eine Kombination aus:

Anamnese

  • Beginn, Art und Verlauf der Symptomatik
  • Reiseanamnese; vorherige Kontakte mit infektiöser Durchfallerkrankung
  • Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
  • Impfstatus, Rauchen
  • Familienanamnese
  • Medikamente (insbes. Antibiotika, NSAR)

Extraintestinale Manifestationen (EIM), Abszesse, Fisteln, Fissuren

Körperliche Untersuchung

  • Abdomen (Bauchschmerz, Abwehrspannung, Darmgeräusche)
  • Fiebermessen
  • Orale und perianale Inspektion
  • Extraintestinale Manifestationen (Mund, Haut, Augen, Gelenke)

Bildgebung

  • Endoskopie (Koloskopie) und Biopsie: Ausdehnung der Erkrankung, Überwachung, Differentialdiagnose, Entzündungaktivität, Krebsrisiko, Untersuchung möglicher intraepithelialer Neoplasien/Dysplasien
  • Hochauflösende abdominelle Sonografie: Entzündungsaktivität
  • Weitere Bildergebung bei ausgewählter Fragestellung, z. B. MRT oder CT zur Beurteilung des Dünndarms, Abszesse, Fisteln

Labor

  • Blut: Blutbild, Nährstoffmangel, Eisenhaushalt, Entzündungsmarker (CRP), Nierenfunktion, Transaminasen- (Leber) und Cholestaseparameter (Galle)
  • Stuhl: Hämoccult-Test, fäkale Entzündungsmarker (Calprotectin bei MC und CU / Lactoferrin bei CU), intestinale Infektion (inkl. Clostridium difficile; ggf. landestypische Erreger bei kürzlichen Reisen)

Wie unterscheiden sich Colitis ulcerosa und Morbus Crohn?

Die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa weisen neben ihren Gemeinsamkeiten auch wesentliche Unterschiede auf. Diese spielen bei der Diagnose eine wichtige Rolle.

Unterschiede von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa in Bezug auf Befallsmuster und Entzündungsgeschehen:

Morbus Crohn

Morbus Crohn kann den gesamten Gastrointestinaltrakt von der Mundhöhle bis zum After befallen. Die Entzündung tritt dabei typischerweise in einem diskontinuierlichen Befallsmuster auf: Kranke und gesunde Darmabschnitte wechseln sich ab. Anders als bei der Colitis ulcerosa kommt es beim Morbus Crohn zu Entzündungen aller Darmwandschichten (Mukosa bis Serosa).

Morbus Crohn
Colitis ulcerosa

Colitis ulcerosa befällt ausschließlich den Dickdarm. Die Entzündung beginnt i. d. R. im Rektum und breitet sich dann in einem kontinuierlichen Befallsmuster unterschiedlich weit im Kolon aus. Anders als beim Morbus Crohn beschränkt sich die Entzündung meist auf die Mukosa und Submukosa. Nur selten sind auch tiefere Wandschichten betroffen.

Colitis ulcerosa

Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa in Bezug auf die Symptome:

Morbus Crohn
  • Breiige/wässrige Durchfälle meist ohne Blut
  • Oft Bauchschmerzen, häufig im rechten Unterbauch
  • Befalls des Kolons/Rektums – Blutbeimengungen, Tenesmen, imperativer Stuhldrang, Inkontinenz
Colitis ulcerosa
  • Breiige/wässrige Durchfälle meist ohne Blut
  • Oft Bauchschmerzen, häufig im rechten Unterbauch
  • Befalls des Kolons/Rektums – Blutbeimengungen, Tenesmen, imperativer Stuhldrang, Inkontinenz
Beide
  • Symptome einer Mangelversorgung (Vitamine, Elektrolyte etc.)
  • Eisenmangelanämie, Müdigkeit, Fatigue/Erschöpfung
  • Gewichtsverlust
  • Fieber

Was sind mögliche Komplikationen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung?

Im Krankheitsverlauf der CED kann es zu einer Reihe von Komplikationen kommen. Akute Komplikationen treten heute bei beiden Erkrankungen seltener auf.

Morbus Crohn
  • Engstellen (Stenosen, Strikturen, Ileus)
  • Ulzera
  • Fissuren
  • Fisteln
  • Abszesse
  • Chronischer Blutverlust
  • Perforation
  • Erhöhtes Darmkrebsrisiko (bei Befall des Kolons)
Colitis ulcerosa
  • Schwere Blutungen
  • Pseudopolyposis
  • Erhöhtes Darmkrebsrisiko (insbes. bei großer Ausbreitung, primär sklerosierende Cholangitis)
  • Strikturen (potenziell maligne)
  • Toxisches Megakolon evtl. mit Perforation

Perianale Fisteln bei Morbus Crohn:

Perianale Fisteln sind Verbindungsgänge zwischen Enddarm oder Analkanal und der perianalen Haut. Sie treten häufig als Komplikation der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn auf und können für Patient*innen sehr belastend sein und die Lebensqualität bedeutend einschränken.

Typische Symptome perianaler Fisteln

  • Unkontrollierter Austritt von Eiter und/oder Stuhl über den Fistelgang
  • Fieber
  • Juckreiz
  • Nässen
  • Gelegentlich Bluten
  • Einschränkung der Kontinenz
  • Abszesse
  • Schmerzen
Diagnose perianaler Fisteln

Die Diagnose einer perianalen Fistel erfolgt durch:

  • Körperliche Untersuchungen (v. a. proktologische Untersuchung des Enddarms)
  • Ultraschall
  • Ggf. MRT

Perianale Fisteln unterscheiden sich hinsichtlich des Verlaufs des Fistelgangs durch den Schließmuskel oder der Anzahl von Fistelöffnungen und/oder des Vorhandenseins von Abszessen. Anhand dieser Faktoren lassen sie sich in einfache oder komplexe Fisteln einteilen. Die Mehrheit der perianalen Fisteln bei Morbus Crohn gilt als komplex. Komplexe Fisteln sind oft schwer zu behandeln und sprechen nur schlecht auf medikamentöse Therapien an.

Behandlung und Therapie perianaler Fisteln

Komplexe perianale Fisteln bei Patient*innen mit Morbus Crohn werden zunächst mit Antibiotika, Immunsuppressiva und/oder Biologika/lmmunmodulatoren behandelt. Da sie nur selten durch eine rein medikamentöse Therapie ausheilen, ist in den meisten Fällen eine chirurgische Therapie notwendig.

Chirurgische Methoden zur Behandlung komplexer crohnassoziierter Fisteln:

  • Fadendrainage (Seton)
  • Fistelspaltung (Fistulotomie; nur bei einfachen Fisteln ohne Sphinkterbeteiligung)
  • analer Fistelzapfen (Anal Fistula Plug)
  • Injektion von mesenchymalen Stammzellen
  • Ausschneiden der Fistel und anschließende Deckung mit einem Schleimhautlappen (Mucosa Flap)

Die Diagnose und Behandlung von Patient*innen mit komplexen perianalen Fisteln bei Morbus Crohn erfordern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Gastroenterolog*innen, Chirurg*innen/Koloproktolog*innen, Fachassistent*innen sowie Mediziner*innen weiterer Fachrichtungen. Ein interdisziplinäres Vorgehen entspricht den Empfehlungen von deutschen und europäischen Leitlinien.

Welche Therapieoptionen gibt es bei CED?

Zur Behandlung der CED gibt es verschiedene Therapieoptionen:

  • „Konventionelle Therapie“ mit Steroiden, bei Colitis ulcerosa zudem mit 5-ASA und 5-ASA-Derivaten
  • Klassische Immunsuppressiva mit Azathioprin, 6-Mercaptopurin, Calcineurin-Inhibitoren und Methotrexat
  • Small Molecules mit JAK-Inhibitoren und Shingosin-1-Rezeptor-Modulatoren
  • Biologika mit TNFα-Antagonisten, Integrin-Antagonist, IL-12/23-Antagonist und IL-23-Antagonist
  • Ergänzende Therapien (z. B. Schmerz-, Ernährungs- (insbes. MC), komplementäre Therapie, psychologische Hilfe)
  • Operationen (z. B. teilweise Darmresektion, Entfernung von Fisteln)
     

Mögliche Therapieziele, die patientenindividuell, realistisch und gemeinsam vereinbart sein sollten, sind zum Beispiel:

  • Schnelle und langfristige Symptomfreiheit
  • Steroidfreie klinische und endoskopische Remission
  • Vermeidung von Komplikationen und irreversiblen Schäden
  • Wirksame Therapie mit akzeptablem Nutzen-Risiko-Verhältnis
  • Lebensqualität
  • Arbeitsfähigkeit (Beruf, Ausbildung, Studium, Schule)
  • Teilhabe am sozialen Leben
  • Persönliche Meilensteine des*der Patient*in

Was ist hinsichtlich der Ernährung bei CED zu beachten?

Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Darmgesundheit ist nachgewiesen. Die Ernährung ist somit ein wichtiger Bestandteil der Therapie bei CED. Es gibt jedoch keine spezielle CED-Diät! Eine Grundregel besagt: Was nicht vertragen wird, wird vermieden. Dies kann je nach Patient*in und Krankheitsphase variieren. Das Ernährungskonzept sollte sich daher immer am aktuellen Beschwerdebild ausrichten und Ihre Patient*innen dabei unterstützen, einen möglichst guten Ernährungszustand aufrechtzuerhalten, Mangelzustände zu vermeiden und Beschwerden zu lindern.

Um den Verlauf einer CED positiv beeinflussen zu können, müssen CED-Patient*innen verstärkt auf ihren Körper, dessen Bedürfnisse und Reaktionen achten. Ein sorgfältig geführtes Ernährungstagebuch ermöglicht schon nach kurzer Zeit ein besseres Verständnis für den eigenen Körper und die Verdauung und ist zudem die optimale Vorbereitung auf das Erstellen eines Ernährungsplans.

Allgemeine Empfehlungen – Ernährung in guten Zeiten

Der Ernährungsplan Ihrer Patient*innen sollte abwechslungsreich, ausgewogen und individuell abgestimmt sein. Empfohlen wird eine angepasste „leichte Vollkost“, die alle wichtigen Lebensmittelgruppen umschließt, aber individuell unverträgliche Lebensmittel ausschließt. Ballaststoffe und komplexe Kohlenhydrate sind bei der aufbauenden Zufuhr von Lebensmitteln besonders wichtig.

Beispiele für sanfte, qualitativ hochwertige Ballaststoffe:

  • Gut verträgliche Gemüsesorten
  • Feine Blattsalate
  • Beerenobst
  • Gemahlene Nüsse und Ölsaaten
  • Sehr fein gemahlene Vollkornbrote
  • Knäckebrot
  • Haferflocken
Ernährung

Bei der Wahl der Lebensmittel sollte auf Frische und Qualität geachtet werden. Stark verarbeitete Produkte mit vielen Zusatzstoffen gehören bei CED nicht auf den Essensplan. Wichtig ist Hygiene im Umgang mit Lebensmitteln. Ganz besonders wichtig wird diese bei zeitgleicher Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten. Um ihren Organismus keinem zusätzlichen Stress und keinem Risiko auszusetzen, sollten CED-Patient*innen die Keim- und Bakterienbelastung möglichst geringhalten.



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